Krise, Krise, Krise, immer nur Krise und dazu noch dieses “C”-Wort.

Da stelle ich mir doch lieber den Strand von Portofino vor mit seinen wunderbaren Fischrestaurants und Luxusboutiquen, in denen Mann adäquate Anzüge für einen relevanten Preis erstehen kann, ohne wie ein deutscher NRW Bundesminister im reingeschossenem Sakko auszusehen…

Ja… Stil und Lebensart das geht scheinbar nur hier. Und da liege ich also vormittags schon am Strand mit Lichtschutzfaktor 50 eingecremt und sinniere über das Leben und halte eine Süddeutsche Zeitung von vorgestern in der Hand.

Zeit für einen Negroni klassisch gemixt von meinem Lieblingsbar-Menschen gegenüber, der eben nicht aufdringlich erscheint, sondern Cocktails nicht nur mixen kann, sondern auch über beste Bar Zutaten und diverse Alkoholika verfügt, die es sonst nicht überall gibt.

Ich bin sonst nicht so der Cocktail-Trinker lasse mich aber gerne beeinflussen, wenn mein Gegenüber mir solvent erscheint. Nach dem ersten Negroni gehen wir zum klassischen Gin über und seinen diversen Arten, die gerade wieder in Mode kommen oder eben nie weg waren. Gin…Wacholder in Reinform, wenn er gut gemacht ist. Wir reden nicht über Mainstream-Plörre mit ach‘ so hippen Namen, vorzugsweise in Apothekerflaschen mit dem Wort BOTANICALS bedruckt. Erinnert sich eigentlich noch jemand an Schweppes …?? Dieser Name scheint fast gänzlich verschwunden.

Als ich jedenfalls nach 10 entspannten Tagen wieder zuhause bin, erstehe ich gleich im angesagten Feinkostkaufhaus mit der weißen Tüte in Stuttgart diverse Flaschen Gin internationalen und nationalen Formats. National, -wenn man das überhaupt noch sagen darf-, ohne in entrüstete Gesichter zu blicken, dazu lasse ich mir noch entsprechendes Tonic Water von korrespondierenden Tonics einpacken und begleiche einen mittleren dreistelligen Betrag an der Kasse. Ich blicke zwar in entrüstete Gesichter aufgrund der Menge an Gin, die auf dem Kassenband liegt und antworte nur trocken. “Oma ist gestorben und hätte das von ihrem Erbe gewollt.“

Im Burg Chalet angekommen, erinnere ich mich aus alten Tagen an meinen langjährigen Freund, Hoteldirektor eines gediegenen Stuttgarter Hotels, Herr 90er. Ein ausgewiesener Bar- und Ginkenner. Ich lade ihn kurzerhand auf ein Gin Tasting bei mir zuhause ein.

An einem Freitag Abend entscheiden wir uns nach kurzer Durchsicht für drei gänzlich unterschiedliche Gins, jeder auf seine Art herausragend und handwerklich sicherlich gut gemacht.

Breil Pur – ein extremer Gin aus der Schweiz mit Rosenwasser Essenz

Hendricks – eine altbekannte Gin Manufaktur

The Botanist – Gin aus Schottland von der Insel Islay

Was gibt es Schöneres als an einem lauen Sommerabend mit Vorfreude ein Gin Tasting zu machen? Gestartet wird mit meinem klassischen Liebling Hendricks, bei dem ich immer an das Haus am „Eaton Place“ denken muss.

WIR FANGEN AN MIT HENDRICKS

Die Erfinder des Hendricks William Grant & Sons aus Schottland rühmen sich ja darin, dass die charakteristischen  Hauptbestandteile Rosen und Salatgurken seien und ich persönlich schätze diese Kombi sehr.

In meiner Nase hält sich die Wacholdernote sehr stark zurück. Ein leicht süßlicher Geruch der sich zu einer ungewöhnlichen, floralen Nase zusammenbaut, aber eben nicht penetrant. Ein für mich milder Gin. Ich schätze das sehr, Herr 90er eher weniger, für ihn schmeckt der Hendricks fast seifig.

Auf der Zunge setzt sich die Milde fort, genauso wie die Zurückhaltung des Wacholders. Rosenessenzen kommen deutlich und der Geschmack setzt sich mehr durch. Dazu sehr sanfte Pfeffernoten. Mir selbst fällt es nicht schwer die Salatgurke heraus zu schmecken, wobei ich zugeben muss, dass ich auch eine Gurkenscheibe im Riedel Tumbler Glas habe.

Der Abgang nimmt die etwas blumigen Noten mit, ist aber nur von kurzer Dauer, obwohl man auch nach dem Genuss florale Noten im Mund verspürt.

Unsere Verkostungsnotizen gehen dahingehend etwas auseinander, aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Wir kommen dahingehend wohl nicht zusammen. Auf Herrn 90er´s Anraten trinken wir Thomas Henry Tonic dazu, der die Aromen bestens unterstützt. Guter Zitrus und vordergründig bittere Noten. Mit entsprechender Salatgurke eine perfekte Kombination. Das Riedel Tumbler Glas liegt gut in der Hand, schöner Glanz im Licht.

THE BOTANIST

Wieder ein Gin aus Schottland. Die Ziffer 22 auf dem Etikett steht augenscheinlich für eben jene 22 Botanicals, die in der Flasche enthalten sein sollen. Der „Botanist Islay Dry Gin“ hat    46% und trägt das Prädikat „Hand-Crafted“, was natürlich edel wirkt. Die Flasche selbst hat durch die Reliefstruktur Wiedererkennungswert. Sie liegt schmeichelnd gut in der Hand.

In die Nase steigt geradezu die Schärfe des Gins, man spürt die 46% druckvoll. Wacholder kommt betont stark durch, aber es ist trotzdem eine versteckte Süße dahinter.

Auf der Zunge wird die Nase sofort mit einer Süße bestätigt, die an Zitrone von früher erinnert, aber eben nicht altbacken. Das ergibt für mich ein wirklich elegantes Geschmacksprofil, das uns beiden sofort zusagt, denn es ist so gänzlich anders als man es erwartet, vergisst aber eben nicht den eigentlichen Wacholder. Der Nachgang ist für unseren Geschmack sehr langanhaltend. Absolute Destillierkunst, die sich sehr vom normalen „Gin“ unterscheidet. Wir favorisieren diesmal „Fever Tree – Indian Tonic Water“, das in Verbindung mit The Botanist zwar über bittere Aromen verfügt, sie aber nicht überbetont. Eine richtig gute Kombination, da sind wir uns beide diesmal sehr einig.

Wunderbar zum Trinken und eben…schmecken.

NUN ZUM AUSNAHMEKÜNSTLER BREIL PUR LONDON DRY GIN

„Im Sommer scheint`d Sonne, im Winter da schneit`s

In der Schweiz, in der Schweiz, in der Schweiz.“

Ich weiß auch nicht, wieso ich gerade jetzt auf Vico Torriani komme, aber es fällt mir unweigerlich ein, als ich auf das wirklich schön gestaltete Schmetterlingslogo auf der Flasche schaue. Ein Nadelholz-Rindenspanner wie meine Recherche ergibt. Beim Breil Pur handelt es sich um einen London Dry Gin mit Zertifikat, der in Breil in der Schweiz produziert wird.

Ich denke sofort auch an Toblerone oder meine geliebte „Le Petit Prince“ von IWC. Unabdingbare Qualität also.

Beim Breil Pur Gin werden laut Hersteller rein biologische Botanicals und Alkohol für die Herstellung verwendet. Außer den drei Hauptzutaten… Alpenwacholder, Alpenrose und  Schokoladenminze, der Rest gilt als geheim.

Nun…Alpenwacholder, Schokoladenminze dazu Alpenrose… eine für uns beide irre Kombination.

Preislich sind wir im oberen Segment angekommen, aber nun geht’s los mit dem Geschmacksflash.

Beim ersten Dufteindruck in der Nase keinerlei Spur von Süße, eher sofortige Zitrusaromen, leichte Minze dazu, etwas Pfeffer. Wir sind beide zwiegespalten. Der erste Schluck und es macht BOOM. Zumindest bei mir. Eine recht ölige Konsistenz, ungewohnt, ich für meinen Teil bin fast überfordert aufgrund des intensiven Aromas. Mein Gegenüber, sonst nicht zu Gesichtsentgleisung neigend, erkenne ich fast nicht wieder, aber bitte nicht falsch verstehen, Geschmack ist ja wie immer subjektiv, und das ist auch gut so. Der Wacholder jedenfalls überströmt fast den gesamten Mund, er kleidet ihn geradezu aus. Das muss man mögen, das muss man wollen, scheint mir. Eine unglaublich massige und dichte Struktur macht sich auf dem Gaumen breit, fast, als ob man es kauen könnte. Ich merke, wir werden in diesem Leben jedenfalls keine direkten Freunde mehr, Herr 90er ist gänzlich unentschlossen “wie er das, was er da trinkt, genau beurteilen soll.”

Was man definitiv sagen kann, ist, dass es sich um einen handwerklich einmaligen Dry Gin handelt, den es so wahrlich nicht an jeder Ecke gibt. Getrunken haben wir den Breil standesgemäß mit dem Schweizer Tonic für Gourmets Gents Swiss. Ratlos bleiben wir beide jedenfalls nicht zurück, jeder für sich hat seine Präferenzen, und das ist nochmals gesagt auch gut so.

Vorbei scheint die Zeit des sich sinnlos Betrinkens mit der letzten Plörre vom Supermarkt um die Ecke. Plastik Strohhalme sind auch verpönt, allein der Umwelt wegen. Namhafte Hersteller und ein modernes Image waren so nicht denkbar, wir reden eben nicht mehr von billigem Fusel, sondern von teilweise in Manufaktur und prämierten Destillerien produzierten Getränken, die dem Genuss dienen und so auch produziert werden.

Ein guter Abend geht vorbei, auf das alles einen Gin ergibt.